Facharzt für Psychotherapeutische Medizin

Wie ist das mit dem Sex?

Paar im Bett

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Kennen Sie das auch? Sie wollen Ihrer Partnerin etwas Gutes tun und bereiten liebevoll einen schönen Abend vor mit Kerzenschein, gutem Essen, Entspannungsbad und Wohlfühlmassage. Nach gut vier Stunden sagt sie zu Ihnen: „Danke Schatz, das war ein wunderbarer Abend, ich liebe dich!“ – und geht ins Bett! Sie sitzen da wie geplättet mit dem Gefühl: „Da fehlt doch noch etwas!“ Umgekehrt, wenn Sie auf Sex bestehen, wird Ihre Partnerin zornig und vermutet hinter all dem bloß einen Trick, um Sex zu bekommen.

Dabei ist es meist nur ein Kommunikationsproblem: Sie wollen wirklich nicht nur Sex und lieben Ihre Frau aufrichtig, aber Sie wollen dies auch körperlich spüren. Ihre Partnerin schätzt Ihre Zuwendung wirklich, aber ist mit dieser Form der gezeigten Liebe im Moment glücklich und zufrieden.

Sex macht glücklich

„Männer wollen doch immer nur das eine“ – „Frauen sind frigide und sexfeindlich“, so lauten manchmal die gegenseitigen Vorurteile. Aber man muss genauer hinschauen, um Mann und Frau und ihre unterschiedlichen Bedürfnisse zu verstehen.

Sexualität ist nicht nur sinnvoll und erlaubt zur Arterhaltung, sondern hat darüber hinaus viele wichtige psychische, körperliche und soziale Funktionen. Sex in Maßen, in einer guten vertrauensvollen Beziehung und als Ausdruck der Liebe zum anderen ist gesund, das Immunsystem stärkend, die Beziehung festigend, fördert den Selbstwert und macht glücklich. Die Lösung für sexuelle Probleme in der Ehe kann daher nicht sein, auf Sex ganz zu verzichten oder ihn sich anderswo zu holen.

Das oft benutzte Klischee, Männer bräuchten Sex einfach öfter, das sei entwicklungsgeschichtlich begründet (Mann als Jäger), stimmt so nicht. Denn auch das körperliche Bedürfnis nach Sex kann Mann steuern und lässt sich verändern.

Sex kann eben auch zur Sucht werden, dem Missbrauch dienen, eine Abwehr anderer Bedürfnisse beinhalten, ein Streben nach Macht und Anerkennung sein oder einfach unseren Schmerz betäuben. Wie oft geraten Männer in eine Affäre, wenn gerade eine Lebenskrise herrscht und sie sich wertlos und unmännlich fühlen?

Sexualität und Aggression sind die beiden Kraftquellen des Mannes.

Sexualität und Aggression sind die beiden Kraftquellen des Mannes, und er benötigt sie dringend, muss aber auch lernen, sich nicht von ihnen beherrschen zu lassen. Pfarrer Wilhelm Busch nennt es treffend „unser Recht auf Liebe“ und meint damit nicht nur Sexualität, sondern letztlich eine tiefe, emotionale und körperliche Erfahrung des Einsseins, der Verschmelzung mit dem Du, auch als spirituelle Erfahrung. Das beschreibt sehr gut unsere starke Sehnsucht, nicht nur nach Bedeutung und Anerkennung, sondern auch nach Erlösung von unserer tiefen Einsamkeit, die jeder Mensch in sich trägt. Diese Sehnsucht verbindet sich mit der großen Macht in unserem Leben, der Sexualität.

Wird diese Sehnsucht nicht gestillt, bleibt man einsam, obwohl man sich in einer Beziehung befindet. So geraten wir immer dann unter „Druck“, wenn unsere tieferen Bedürfnisse nicht gestillt werden.

Nein sagen können

Was kann Mann also tun, wenn es ein Problem mit der eigenen Sexualität oder dem anderen Geschlecht gibt?

Zunächst einmal ist es wichtig, dass man seine Sexualität zulässt, anerkennt und nicht verdrängt oder sich wegen seiner sexuellen Lust verurteilt. Man lebt sie aber auch nicht einfach blind aus. Um dann genauer hinzuschauen, braucht man manchmal professionelle Hilfe oder gute Freunde, die einem helfen, die Augen zu öffnen. Es braucht durchaus viel Mut, Geduld und die Erlaubnis, Fehler machen zu dürfen, wenn man sexuelle Probleme anspricht und an ihnen arbeitet.

Um zum obigen Paarproblem zurückzukehren: Erlauben sie Ihrer Frau, auch einmal Nein sagen zu dürfen, und respektieren Sie dies; ihre Unlust bedeutet keine Ablehnung. Teilen Sie Ihrer Frau aber auch mit, wie wichtig es für Sie ist, Liebe auch körperlich zu spüren. Sprechen sie achtsam und in Ruhe darüber.

Gott hat auch die Sexualität geschaffen und freut sich darüber, wenn wir sie genießen, doch soll sie uns nicht beherrschen. Körperlichkeit und Sexualität ist nicht alles, was Sie als Mann ausmacht. Trauen Sie es sich, dem „Problem“ ins Auge zu schauen und suchen Sie die Wurzeln hinter dem Offensichtlichen.

Unreife Männlichkeit äußert sich in mangelnder Selbstbeherrschung oder der Neigung zum „ewigen Playboy“, der sich nicht binden mag. Reife Männlichkeit bedeutet, sein Mann sein und seine Sexualität in einer verbindlichen Partnerschaft zu leben, aber auch zeitweise darauf verzichten zu können – zum Wohle des anderen oder der eigenen tieferen Bedürfnisse, denn Liebe bedeutet eben viel mehr als „nur“ Sex.

Dr. med. Klaus Hettmer

Ebenfalls veröffentlicht in: Adam Online Nr. 41 (Dezember 2014 bis Februar 2015), Artikel von Dr. Klaus Hettmer zum Thema „Reife Männlichkeit“.