Heilsame Gemeinschaft
Wenn ich in meiner Praxis Männer nach Männerfreundschaften oder anderen Gemeinschaften frage, in denen sie leben oder Kontakte pflegen, ernte ich meist fragende Blicke und es entsteht eine betretende Stille. So als ob man an einen wunden Punkt im Herzen eines Mannes gekommen ist, für den wir uns schämen und den wir am liebsten aus unserem Leben ausblenden möchten.
„Ist denn der Mann nicht als einsamer Kämpfer geboren und am ehesten Mann, wenn er sich alleine durchs Leben schlägt?“, so die mancherorts gelebten Klischees. Doch wer einen Sohn hat, so wie ich, dem wird schnell klar, dass dies nicht die wahre Natur eines Jungen ist, oder die Gott gewollte Ordnung, sondern dass Jungs und Männer geboren sind, um in und durch Gemeinschaft zu ihren wahren Stärken und Leidenschaften zu finden und diese dann auch zum Wohl der anderen einzusetzen. So wie in einem Indianerstamm, in welchem die Jungs schon im Alter von 10 Jahren den Müttern entrissen werden und in die Gemeinschaft der Männer aufgenommen werden. Meist geschieht dies durch ein oder mehrere Rituale, in denen sie Mut und Tapferkeit, Treue, dienen und kämpfen und vor allem lieben lernen.
Der Mensch ist ein soziales Wesen, das nur in Gemeinschaft gedeiht, genauso wie er ein einzigartiges „Unikat“ ist, welches es nur ein einziges Mal im ganzen Universum gibt. Diesen scheinbaren Widerspruch gilt es zeitlebens zu regulieren und zu steuern. Prof. Mason definierte dies als 2 Säulen zum Glück: zum einen die Integration in einer Gemeinschaft, die Schutz und Sicherheit, aber auch Anerkennung und Sinn gibt; zum anderen die Individualität, welche auch das Finden des eigenen wahren Selbst beinhaltet und manchmal nur in der vorübergehenden Wegwendung von der Gruppe geschehen kann. Nur in der lebendigen
Spannung dieser beiden menschlichen Pole kann sich ein Kind zum Mann und ein Mann zum Vater oder König und Weisen entwickeln, was ja wichtigen männlichen Archetypen entspricht.
Dass Beziehungslosigkeit krank macht, sehen wir an neuesten Studien in Deutschland über die Zufriedenheit unserer Kinder, denen es äußerlich so gut geht, wie noch nie, und welchen es innerlich so schlecht geht wie nie. Und hier spielt nicht nur der übergroße Leistungsdruck ab der Schule eine Rolle, sondern vor allem die Einsamkeit und Sinnlosigkeit, denen unsere Kinder ohne Väter und Geschwister, ohne eine Gruppe ausgesetzt sind. Prof. Hüther, einer der renommiertesten Hirnforscher Deutschlands meinte hierzu, dass Kinder das wichtigste fürs Leben, das sie brauchen werden, nicht in der Schule, sondern im gemeinsamen Spiel und in der sozialen Gemeinschaft lernen. Hier lernen sie zu gewinnen und zu verlieren, hier lernen sie, Regeln zu befolgen und sich einem höheren Ziel unterzuordnen. Nur hier können sie ihre Talente und Gaben finden und zur vollen Entfaltung bringen.
Auch in der Psychotherapie spielen natürlich Beziehungen eine zentrale Rolle für die psychische Gesundheit. Man wird durch ungesunde Beziehungen krank und kann durch heilsame Beziehungen wieder gesund werden. Dies ist ein wesentlicher Wirkfaktor jeder Psychotherapie oder auch wahren Freundschaft. Doch in unserer Zeit des überhöhten Individualismus und der freien Selbstbestimmung geht der Sinn für das größere Ganze und wahre Werte und Sinn verloren und führt zu immer mehr Isolation und Einsamkeit. „Was für alle gut ist, ist auch für mich gut und wenn es mir schlecht geht, geht es allen schlecht“- so sollten wir denken und handeln. Dies sind auch die göttlichen Prinzipien, nach denen unser Universum geordnet ist. Jedes einzelne Lebewesen ist einzigartig, aber nicht ohne eine Eingebundenheit in ein soziales oder biologisches Netz überlebensfähig.
Worin unterscheiden sich Frauen und Männer voneinander? Während Frauen vor allem beziehungsorientiert sind und dann glücklich, wenn ihre Beziehungen funktionieren, sind wir Männer vor allem erfolgsorientiert und suchen diesen Erfolg meist außerhalb unserer Beziehungen, im Beruf, Sport, etc. Doch sind auch für uns Männer Beziehungen untereinander und in Gruppen wesentlich. Dies bemerkt man, wenn man Männer unter sich beobachtet. Meist sprechen sie nicht nur über ihre Erfolge, sondern vor allem über ihre Väter und Söhne, Heldentaten und Träume. Doch mit wem und worüber soll ein Mann sprechen, der in der Arbeit mit Maschinen lebt und zu Hause in seiner Werkstatt verbringt? Wem die Heldentaten erzählen? Mit wem seine Träume teilen? Dies sind oft Fragen meiner männlichen Klienten, wenn sie schon etwas weiter in der Arbeit an sich selbst sind und nach Lösungen suchen. Und so möchte ich Ihnen, liebe Männer und Freunde, noch ein paar Tipps geben, wie man Freunde und Gemeinschaft finden kann:
- pflegen sie wieder alte oder neue Hobbies, dort treffen sie auf Gleichgesinnte
- trauen sie sich, einen Mann anzusprechen, den sie interessant finden, ihm geht es genauso
- suchen sie sich einen Verein ihrer Wahl, in dem sie ihre Talente einbringen können
- glauben sie an ihre Lebensvision, die meist auch für andere nützlich ist
und nicht zuletzt - pflegen sie Gemeinschaft mit ihrer Familie
Auf ihrem einzigartigen und grandiosen Weg durch ihren Lebensplan wünsche ich Ihnen alles erdenklich Gute, Ihr
Dr. med. Klaus Hettmer
Ebenfalls veröffentlicht in: Adam Online Nr. 38 (März bis Mai 2014), Artikel von Dr. Klaus Hettmer zum Thema „Gemeinsam sind wir stark“.